Staatsstreich im Anmarsch? Die Neue Rechte bläst zur neuen konservativen Revolution!
CSU, Pegida, AfD, PI-News und Konsorten
sind in aller Munde. Die rassistische Stimmung, die diese Parteien und
Bewegungen schüren, ist der Nährboden für die
täglichen Angriffe (500 bisher dieses Jahr) auf
Flüchtlingsunterkünfte, Flüchtlingshelfer/innen und
Antifaschist/innen. Der jüngste Anschlag auf die neue
Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist nur einer der
jüngsten Höhepunkte. Die Neue Rechte liefert dafür den
ideologischen Unterbau. Von PI-News über Sezession, Michael
Mannheimer über Stürzenberger, Pegida und AfD wird über
den „Widerstandsparagrafen“ (Artikel 20 GG) diskutiert.
Immer öfter sind die Veröffentlichungen von Artikeln, in
denen der aktive Widerstand nach Art. 20 GG ausgerufen wird.
– Jan Große Nobis von der VVN-BdA NRW stellte diese
Überlegungen an und liefert eine gründliche Analyse.
Was sagt also der Artikel 20?
Es geht um den Absatz 4 des besagten Artikels:
„(4)
Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle
Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht
möglich ist.“
Es ist schon bemerkenswert, dass sich die Neue Rechte
gerade auf diesen Absatz bezieht! Schließlich ist dieser Absatz
auf Forderung der Gewerkschaften im Zusammenhang mit der
Notstandsgesetzgebung von 1968 zur Abwehr des Faschismus und der
militärischen Machtübernahme im Grundgesetz etabliert worden.
Der Absatz bedeutet, dass die Demokraten – wenn es nicht anders
geht – zur Verteidigung der Grundwerte des Grundgesetzes mit den
Mitteln des Massenstreiks und ähnlicher Aktionen einschreiten
können. Eigentlich also eine „linke“ Klausel des
Grundgesetzes! Schließlich stehen die demokratischen Kräfte
für die Menschenrechte (Art. 1), für Gleichberechtigung (Art.
3); für Religionsfreiheit (Art. 4), für Meinungsfreiheit
(Art. 5) etc. Ein Staatsstreich rechter Cliquen soll also mit Artikel
20 abgewendet und nicht herbeigeführt werden, wie es sich die
Abendländler denken.
Die neue Rechte verleugnet genau diese Werte: Für
sie gelten Menschenrechte, Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit
allenfalls für deutsche Nationalisten. So werden aus Demokraten,
die die Werte der allgemeinen Menschenrechte verteidigen,
„Diktatoren“, „Linksfaschisten“,
„SAntifa“ oder „linksversiffte Gutmenschen“!
Die Demokratie und die allgemeinen Menschenrechte sind ihr Feind
– aus ihrer Sicht sind die Demokratie und die allgemeinen
Menschenrechte der „neue Faschismus“! Sie projizieren ihre
völkische Ideologie ins Grundgesetz. Und damit soll der Art. 20 GG
ihr Schwert gegen die Demokratie werden!
Die Neue Rechte ruft den Widerstand aus
Schon 2011 rief Karl-Michael Merkle alias Michael
Mannheimer (einer der Gurus der neuen Rechte) nach Artikel 20 Abs. 4
gegen die „Islamisierung Deutschlands“ auf („…in Anbetracht ebenfalls der verfassungswidrigen Ent-Ethnisierung der deutschen Bevölkerung…“). Trotzdem stellte das Amtsgericht im April 2011 das Verfahren wegen Volksverhetzung ein.
Appelle wie die von Merkle haben eine längere
Vorgeschichte – und die Galgen wie auch Guillotinen auf rechten
Demonstrationen – gehen auf die Aktionen W (wie Widerstand) gegen
die Ostverträge zurück. „Willy Brandt an die
Wand“, wurde damals gerufen und geschrieben. Es war dann Michael
Kühnen (Leutnant a.D., 1955-1991), der neue nationalsozialistische
Formationen schuf und bis zu seinem Tod den rassistischen Volksaufstand
predigte, der dann einen faschistischen Umsturz bringen sollte. Sein
Vize Christian Worch startete dann Anfang der 90er Jahre die
Anti-Antifa-Drohschrift „Einblick“ mit unverhohlenen
Morddrohungen nicht nur gegen Linke und Migrant/innen, sondern vor
allem auch gegen Prominente, „die uns die Suppe eingebrockt
haben“. Lynchjustiz, wie jetzt wieder betrieben, stand schon 1919
am Anfang der reaktionären Gegenwehr gegen ein demokratisches
Deutschland, als es auf Plakaten hieß:
„Schlagt ihre Führer tot. Tötet Liebknecht. Dann werdet
Ihr Frieden, Arbeit und Brot haben. Die Frontsoldaten!“
Mannheimer hatte laut Anklage vorm Amtsgericht in seinem als öffentlicher „Appell an alle freiheitsliebenden Bürger Deutschlands“ ausgewiesenen Pamphlet „zum Hass gegen eine religiöse Gruppe auf[ge]stachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie aufgefordert“.
Das Amtsgericht Heilbronn hatte zwar zunächst einen Strafbefehl
verschickt, aber nach Einspruch durch Mannheimer wurde das Verfahren in
August 2014 sang- und klanglos eingestellt.
Am Ende hatte das Gericht schon die offensichtliche
Volksverhetzung des Herrn Mannheimer nicht erkannt. Und die Relevanz
nach dem Widerstandsparagrafen sowieso nicht.
Inzwischen ist das angebliche Widerstandsrecht schlicht
Standard bei AfD, PI-News, Sezession und Elsässer. So wollen
„Kubitschek und Elsässer […] sich mit dem Thema ‚Staatsversagen und Widerstandsrecht‘ beschäftigen“
berichtet der Blick nach Rechts über einen Kongress des neurechten
„Instituts für Staatspolitik“ im November.
Nun (04. Oktober) ruft das größte neurechte Blog PI-News unter der Überschrift „Allgemeine politische Mobilmachung!“ im Duktus der "Konservativen Revolution" der 1930er Jahre zur Front und zum Partisanenkampf gegen den Staat auf:
Sie schreiben: „Merkels
illegale Völkerwanderung [sic!] ist eine politische
Kriegserklärung [sic!] an die Deutschen [sic!]. Es gibt nur eine
Antwort: Jeder muss jetzt an die politische Front!“ Dabei
rufen sie ihre Anhänger auf, in Dreier-Gruppen [erinnert an den
NSU, oder?] oder einzeln als Partisanen in den Untergrund zu gehen: „Dreier-Gruppen
sind die Kerneinheit jeder politischen Partisanentruppe.
Dreier-Gruppen sind leicht zu gründen, brauchen wenig interne
Abstimmung, bestehen meist aus engen Freunden mit hoher Loyalität
und Verlässlichkeit und können sich deshalb als extrem
schlagkräftig [sic!] erweisen. Findet Euch jetzt zusammen!
Überlegt euch Aktionen! […] Wir befinden uns im politischen
Kriegszustand [sic!], das bedeutet: Disziplin und nicht lange
herumpalavern, konkrete Taten [sic!] vereinbaren und sichtbare Erfolge
erreichen! Es muss jetzt Schluss sein mit Drückebergerei,
Unzuverlässigkeit […], die auch in konservativen und
rechten Kreisen eingerissen ist. Wir sind Deutsche [sic!], und wir
werden der Welt zeigen, dass wir in der Lage sind, eine verbrecherische
Regierung zum Teufel zu jagen! [sic!]"
„Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten,
gab es keinen mehr,
der protestieren konnte.“
Martin Niemöller.
|
Das ist der Aufruf zu strafrechtlich-relevanten
militanten Aktionen von rechts (Das hat nichts mehr mit zivilem
Ungehorsam zu tun!). Im Kontext der aktuellen Situation ist dies also
ein Aufruf, geplante oder schon genutzte Flüchtlingsheime
abzufackeln. Was soll sonst damit gemeint sein?
Und das im Namen des Grundgesetzes! Sie interpretieren
es völkisch und meinen so, legitimiert zu sein mit ihrem Hass auf
alle, die anders sind! Seien es Flüchtlinge, Homosexuelle, Linke,
Antifaschisten oder einfach nur Demokraten!
Brandbeschleuniger: de Maizière, Seehofer, Scheuer, Söder und Oppermann als Legitimierung
Genauso wie Anfang der 1990er Jahre – Stichwort
Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Mölln, Solingen –
goutieren etliche Politiker/innen wieder den rassistischen Mob von
PI-News, AfD und Pegida! Der „besorgte Bürger“ ist
wieder König!
Die CSU ist ein Nährboden für diese völkischen Bewegungen. Täglich rufen sie aus, dass wir nicht das „Welt-Sozialamt“ (Zitat NPD, AfD und CSU) sind, dass die Zuwanderung begrenzt werden muss („Flüchtlingszustrom begrenzen“ oder „Es muss Obergrenzen geben, denn Deutschland kann nicht die ganze Welt retten") und über das Asylrecht geredet werden müsse.
Aber die SPD ist da oft nicht viel besser: Oppermann: „Dazu
gehört es auch, deutlich zu sagen, dass mit einer Million
Flüchtlinge in diesem Jahr unsere Möglichkeiten bei der
Aufnahme nahezu erschöpft sind“, sagt er der FAZ.
Aber auch die Grünen sind dabei, am Asylrecht zu
schrauben. Bei der aktuellen Asylrechtsverschärfung machen sie
über den Bundesrat mit [http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/bund_laender_gipfel_cducsu_spd_und_gruene_einigen_sich_auf_massive_asylrechtsverschaerfung/].
Mit der Definition von weiteren Balkanländern als „sichere
Herkunftsstaaten“ sind sie mit dabei, den auf dem Balkan
diskriminierten Roma die Flucht nach Deutschland zu verwehren.
Aber was machen wir?
Max Reimann zur Haltung der KPD zum Grundgesetz:
„Wir
unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten
dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen
haben!“
Max Reimann, 1949 bis 1953 Abgeordneter des Bundestags und Fraktionsvorsitzender der KPD, Mitbegründer der VVN.
|
Pegida, AfD und NPD demonstrieren zusammen zu tausenden
in den Straßen Deutschlands. Fast täglich in irgendeiner
Stadt in Kaltland. Die AfD steht bei Umfragen wieder bei 7 %. Die
Brandbeschleuniger aus der Politik stehen täglich in der Presse!
Eigentlich haben die Wiener/innen es schon vorgemacht: Sie haben erst
mit zehntausenden (31. August) und dann mit 150.000 Menschen (03.
Oktober) für Solidarität mit den derzeit nach Europa
fliehenden Menschen in Wien demonstriert [http://wienanders.at/150-000-menschen-in-wien-sagen-refugees-welcome/].In
Deutschland haben wir eine zentrale Großkundgebung in Berlin noch
nicht geschafft! Wir übernehmen durch unsere Unterstützung
der Refugees so viele Aufgaben des Staates, dass wir unsere politischen
Anliegen vernachlässigen. Der Widerstand gegen den etablierten
Rassismus und die aktuelle Asylrechtsverschärfung fällt dabei
hinten über!
Eine rechts-terroristische Bewegung
„Die
Republik gab Wort und Schrift geradezu selbstmörderisch frei; die
Nationalsozialisten spotteten offen, sie nähmen nur die von der
Verfassung gewährten Rechte für sich in Anspruch.“
Victor Klemperer, Lingua Tertii Imperii, S. 32.
|
Es hat sich jedoch unter Duldung der Mitte längst
eine rechts-terroristische Bewegung etabliert. Täglich brennen
Flüchtlingsheime, täglich werden Flüchtlingshelfer/innen
und Antifaschist/innen angegriffen, täglich werden Migrant/innen
angegriffen. Der rechte Terror ist vor unserer aller Augen präsent!
Es ist egal, ob hinter diesen ganzen Anschlägen auf
die demokratische Gesellschaft feste, strukturierte Netzwerke stehen,
oder nicht (Aber es scheint sie zu geben). Das soll mal der
Verfassungsschutz diskutieren. Der macht sowieso nichts gegen Rechts
– oder stützt die gar noch! Es ist ja inzwischen viel
extremer. Es bedarf nicht einmal mehr strukturierter Netzwerke! Schon
Michael Kühnen („Getrennt marschieren, vereint schlagen“),
die Turner-Tagebücher, Combat18 und der NSU haben es propagiert
und durchgeführt: Den Kampf in einzelnen losen dezentralen
terroristischen Zellen!
PI-News & Co geben nun die Anleitung – das
„besorgte Bürger“ genannte Rassistenpack führt es
aus… Sie arbeiten fleißig an einer neuen völkischen, antidemokratischen Diktatur der
Höckes (AfD, „1000-jähriger Zukunft für die
Bewegung“), Festerlings (Widerstand Ost-West), Bachmanns
(Pegida), Kubitscheks (Sezession), Elsässers (Compact),
Mannheimers und Stürzenbergers (PI-News)… Sie arbeiten am
Staatsstreich!
Wenn wir als Gesellschaft nicht wach werden und
offensiver handeln, ist es vorbei mit einer offenen Gesellschaft
– sei es auch nur mit einer kapitalistischen…
Jan Große Nobis
Siehe auch:
26.04.2013
Verfassungsschutz als Teil des NSU-Falls
Betrachtungen zum braunen Netzwerk aus VS und NSU
http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/1082_nsu.htm
28.07.2011
Nach den Morden von Oslo und Utöya
Es muss auch hierzulande gegen rechts gehandelt werden
http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0827_nachher.htm
26.03.08
Zusammenspiel von Verfassungsschutz, Bundesinnenministerium und Neonazis bei der „Anti-Antifa“
Wiederauflage eines Referats von Ulrich Sander (VVN-BdA NRW)
http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0396_vs__bmi_und_anti-antifa.htm
|