„Insel
der Seligen“?
„Tag
der Heimat“ des BdV in
Münster
Rechtspopulist
Klaus Rainer Röhl ausgeladen/BdV verbreitet revisionistische
Positionen
1998
marschierte die NPD gegen die Wehrmachtsausstellung auf, im
November wollte die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen einen münsterländischen
Neonazi einstellen, der beim damaligen Naziaufmarsch in Rostock
einen Antifaschisten mit seinem Auto jagte und fast tödlich
verletzte, jüngst schossen Neonazis Silvesterböller auf Kinder,
am Samstag, den 26. August jagten drei Skins zwei Afrikaner durch
die Stadt. In dieser Atmosphäre wollte der Bund der Vertriebenen
Münster (BdV) den Tag mit dem Ex-Linken und inzwischen zum
Rechtspopulisten gewandelten Dr. Klaus Rainer Röhl begehen. Jan
Große Nobis zeichnet die Auseinandersetzung um die Einladung
Röhls nach.
Röhl,
Mitglied der FDP, ist Publizist in rechten und revanchistischen
Postillen. Er schreibt u a. für die „Junge Freiheit“, das
„Ostpreußenblatt“ oder das „Deutschlandmagazin“, in dem
neben streng rechten Personen auch CDU-Politiker wie Kohl, Kanther
und Lummer schreiben, bis zu konservativen Zeitungen wie der
„Welt am Sonntag“. Er sollte wahrscheinlich – so die
Vermutung der VVN – die Debatte um das Vertriebenen-Denkmal in
Berlin und wohl auch die Debatte um eine derartige Gedenktafel in
Münster vorantreiben.
Gestoßen
auf diese Veranstaltung wurde die Kreisvereinigung der VVN/BdA in
Münster durch einen Artikel in der „taz münster“ über den
BdV: In einem Artikel über den BdV wurde diese Veranstaltung
angekündigt. Daraufhin wandte sich die VVN/BdA in einem Offenen
Brief an den Oberbürgermeister Dr. Bertold Tillmann und die
Stadtratsfraktionen: „Klaus Rainer Röhl ist in der
Vergangenheit durch zahlreiche rassistische und revanchistische
Artikel [...] in Erscheinung getreten. Sein publizistisches
Engagement verbindet Röhl mit einer umfangreichen Vortragstätigkeit.
So ist er in der Vergangenheit beispielsweise innerhalb einer
Vortagsreihe mit dem britischen Auschwitzleugner David Irving
aufgetreten“, schrieb die VVN/BdA in ihrem Brief und forderte
den Oberbürgermeister auf, „daß einer Veranstaltung des BdV Münster
mit Herrn Klaus Rainer Röhl am 10. September 2000 keine öffentlichen
Räume zur Verfügung gestellt werden.“. Gemeint war damit der
Festsaal des münsteraner Rathauses. Denn, es werde befürchtet,
„daß Röhls Auftritt am „Tag der Heimat“ dazu dienen soll,
nationalsozialistische Verbrechen zu relativieren, indem diese
gegenübergestellt werden sollen mit dem „angeblichen „Völkermord
an ostdeutschen Stämmen“ (Paul Latussek, stellv. Vorsitzender
des BdV)“
Reagiert
wurde – Der Oberbürgermeister meldete sich beim BdV, er solle
die Vorwürfe, die gegen Röhl erhoben wurden, entkräften. Die münsteraner
FDP-Chefin Carola Möllemann-Appelhof meldete sich als Erstes zu
Wort und forderte die Genehmigung für die Nutzung des Festsaales
zu widerrufen, da es „unerträglich“ sei, wenn ein Publizist
der „Neuen Rechten“ im Rathaus zu Wort kommen sollte – in
Unkenntnis der Parteimitgliedschaft Röhls in der FDP. Später
revidierte die FDP ihre Position und meinte nun, die VVN/BdA habe
eine unseriöse Informationspolitik betrieben: Eine münsteraner
Zeitung hatte die VVN widersprüchlich wiedergegeben: Diese
Zeitung hatte fälschlicherweise angedeutet, Röhl kenne Irving
– entgegen der Darstellung der VVN, Röhl habe innerhalb ein und
derselben Vortragsreihe wie Irving teilgenommen.
Die SPD
blieb bei ihrer Kritik an der Einladung Röhls. Die Grünen sind
dagegen ruhig geblieben. Der Fraktionsvorsitzende der SPD Udo
Reiter verfaßte einen Brief an den Oberbürgermeister, in dem er
die Absage der Veranstaltung forderte. Reiter schrieb: „Mir ist
egal, ob Röhl selbst als Rechtsextremist bezeichnet werden kann
oder ob sein Gedankengut ‚nur‘ von der braunen Soße begierig
aufgesogen wird. Fakt ist, ein Klaus Rainer Röhl hat auf einer
Veranstaltung, die im städtischen Rathaus stattfindet, nichts zu
suchen.“ Weiter kritisierte er, daß der BdV offiziell zu einer
solchen Veranstaltung einladen konnte: „Gerade nach den
abscheulichen Szenen von Skinheads an der Hammer Str. [gemeint war
die genannte Jagd auf zwei Afrikaner; d. A.] wäre hier ein Höchstmaß
an Sensibilität geboten gewesen.“
So
sollte nun doch das Vorgehen der Stadt Münster im Ältestenrat
der Stadt diskutiert werden. Am Ende kam ein Kompromiß durch
Gespräche des CDU-Oberbürgermeisters mit dem BdV zustande. Röhl
habe aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Dagegen ließ Röhl
durch eine münsteraner Zeitung verlautbaren, daß er „fit“
sei und jederzeit „einem kleinen Gefecht mit Autonomen gewachsen
sei.“ Der Oberbürgermeister lobte die „rechtzeitige
Versachlichung“ der Diskussion und würdigte die „wichtige
gesellschaftliche, kulturelle und politische
Integrationsaufgabe“ des BdV in Münster.
Der VVN
in Münster reichte dies nicht: In einem zweiten Offenen Brief
wandte diese sich erneut an den Oberbürgermeister: „Leider
sehen wir die Gefahr, daß der „Tag der Heimat“ auch durch den
örtlichen BdV dazu genutzt werden soll, nationalsozialistische
Verbrechen zu relativieren.“ So habe sich die münsteraner
BdV-Vorsitzende Roswitha Möller jüngst in der „taz münster“
eindeutig zur Kriegsschuldfrage im Zweiten Weltkrieg so geäußert:
„Wenn Hitler 1939 sagte, ab 5:45 Uhr wird zurück geschossen,
warum? Weil die Polen im Widerspruch zum Versailler Vertrag mehr
und mehr das Korridorgebiet annektiert und die Deutschen
vertrieben!“ Möller selber, scheue sich nicht auch mit
rechtsextremen Vereinigungen, wie der NPD oder der „Deutschen
Liga für Volk und Heimat“, unter ein und demselben Aufruf zu
stehen. So habe sie in einer Anzeige in der BdV-Zeitung
„Deutschen Umschau“ 1998 unter dem Motto „Machen gerade wir
Frauen deutlich, daß unsere Männer, Väter und Großväter keine
Verbrecher waren“ gegen die damals in Münster gastierende
“Wehrmachtsausstellung“ zum Widerstand aufgerufen. Prompt sei
auch die NPD unter dem Motto „Unsere Väter waren keine
Verbrecher“ noch im gleichen Jahr in Münster „eingefallen“.
Trotz
der Kritik und Präsenz der VVN konnte der BdV am 10. September im
münsteraner Rathaus den „Tag der Heimat“ feiern. Eingeleitet
durch ein Grußwort des Oberbürgermeisters Tillmann, begleitet
durch Volkstanz und Jagdmusik, hielt Roswitha Möller den Vortrag
nun selbst: Eingebettet in internationales oder europäisches
Recht referierte sie über das „fundamentale Menschenrecht“
auf Heimat und das internationale Verbrechen, daß an den
„ostdeutschen“ Vertriebenen begangen worden sei. Wegen der
Auseinandersetzung im Vorfeld schien sich Möller aber diesmal zurückgehalten
zu haben, denn entgegen sonstigen Anlässen, forderte sie dieses
Mal – wie schon einmal in einem Interview mit der studentischen
Zeitschrift „Semesterspiegel“ – keine Grenzverschiebungen
der völkerrechtlich fest geschriebenen Oder-Neiße-Grenze nach
Osten.
Um so
offener wurden die Verbindungen deutlich, wenn man die
ausliegenden Publikationen betrachtet: Trotz der Absage des
Vortrags von Röhl wurde dieser völkisch-tümelnde Redetext
ausgelegt. Aber auch „Der Schlesier“ lag dort aus. Das
ehemalige Organ der Vertriebenen, Ende der Achtziger Jahre
trennten sich die Landsmannschaft Schlesien von dieser
Publikation, wird in den letzten zwei
Landesverfassungsschutzberichten von NRW als Organ des
geographischen Revisionismus bezeichnet. Ebenso wird dort dem
„Schlesier“ Nähe zu den rechtsextremen Parteien Republikanern
und NPD nachgewiesen. Auf dem Exemplar des Schlesiers, das mir
ausgehändigt wurde, klebt ein Adreßaufkleber, der den Namen des
stellvertretenden Vorsitzenden des münsteraner BdV und
Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien in Münster Walter
Christoph trägt. Wie weit trägt da die Aussage des aktuellen
Landesverfassungsschutzberichtes NRW, daß „der Schlesier“
weder „offizielles noch inoffizielles Organ“ des BdV oder der
Landsmannschaft Schlesien sei?
So sieht
die VVN am Ende in ihrer Aktion einen Erfolg. Röhls Auftritt sei
verhindert worden und das Thema Revanchismus in der Stadt seit
langem wieder thematisiert worden. Der BdV habe aber trotzdem
seine Veranstaltung im Rathaus durchführen können. „Was auch
kein Wunder gewesen ist, da trotz der Politik der BdV-Vorsitzenden
in Münster die politische Stellung des BdV gefestigt ist“, führt
die hiesige VVN dazu aus. |
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