„Es geht nicht um schlesische Kochbücher“

 

Seit dem Herbst letzten Jahres, als die Wehrmachtsausstellung in Münster gastiert hat, ist die Poltik des BdV (Bund der Vertriebenen) im Kreuzfeuer der Kritik. Dazu ein Interview mit Pit Rogausch. Pit ist Mitglied in der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN/BdA):

 

Jan: Pit, Du bist Mitglied der VVN/BdA. Womit beschäftigt sich diese Vereinigung?

 

Pit: VVN/BdA bedeutet nichts anderes als die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes - Bund der AntiFaschisten. Diese Vereinigung wurde von den ehemalige KZ-Häftlingen, die als Widerstandskämpfer gegen die Nazis gekämpft hatten, gegründet. Viele von ihnen wurden nach 1946 in der BRD noch einmal verfolgt. Ihnen wurden in den fünfziger Jahren die Renten aberkannt. Sie versteht sich als Zusammenschluß AntiFaschistInnen, die gemäß dem Schwur von Buchenwald, daß man erst den Kampf einstellt, wenn der Faschismus mit seinen Wurzeln ausgerottet ist, aktiv sind - bis heute!

 

Jan: Ihr habt schwere Vorwürfe gegen den BdV. In welchem Kontext seht ihr die Aktivitäten des BdV?

 

Pit: Die Vertriebenenverbände lehnen die bestehenden Grenzen in Europa ab und orientieren sich an großdeutschen geopolitischen Konzeptionen. Immer wieder berufen sie sich auf Geschichtsrevisionisten a la David Irving, der in Deutschland Einreiseverbot hat, und trotzdem steht im Ostpreußenblatt - einer Publikation der Vertriebenen - daß er ein international ebenso renomierter wie gerführchteter Zeitgeschichtler sein soll. Zur Zeit arbeitet der BdV an einer Kampagne zur „Wahrung der Menschenrechte“. Gemeint sind hier nicht die Menschenrechte von Menschen in Abschiebeknästen, so wie z. B. in Büren oder in der Flughafenabschiebeanstalt in Frankfurt, sondern das vermeintliche Recht auf Eigentum von deutschen Vertriebenen in Polen, Rußland und Rumänien usw. Es geht ihnen darum die Grenzen erneut zu verschieben. Was das bedeutet, haben wir schon zweimal in diesem Jahrhundert erlebt.

 

Jan: Wenn man die münstersche Tagespresse aufschlägt, scheint der BdV mehr eine Volkstanzgruppe zu sein, als eine politische Organisation. Wie paßt dies unter einen Hut?

 

Pit: Nee, nee. Hier gehts nicht um schlesische Kochbücher. Es geht um Knete. Es geht um ungefähr dreißig Millionen Mark, die der BdV aus Landes- und Bundesmitteln zur Verfügung gestellt bekommt, um Museen, Institute und Kulturzentren zu betreiben. Das wird dann gedeckt mit Kulturarbeit und mit schlesischen Kochbüchern. Aber tatsächlich wird darüber die Politik des BdV finanziert, die ich ja eben schon benannt habe.

 

Jan: Kommen wir zu den lokalpolitischen Aktivitäten des BdV. Welche Institutionen unterhält der BdV und wie sieht die Finanzierung des BdV in Münster aus?

 

Pit: Die lokalpolitischen Aktivitäten des BdV in Münster sind sehr vielfältig. Zum einen wird über kommunale Finanzmittel die Ostdeutsche Heimatstube getragen. Das sieht so aus, daß auch heute Aussiedler, die nach Münster kommen, von denen beraten werden - also nicht von der Stadt, sondern vom BdV! Zum anderen unterhalten die Vertriebenenverbände in Münster-Wolbeck ein eigenes Museum - das Westpreußische Landesmuseum. Desweiteren gibt es auch so dubiose Vereine, wie die „Gesellschaft für ostdeutsche Kulturarbeit, Münster“. Das ist ein Verein, der sich offensichtlich deswegen gegründet hat, weil die Stadt unter Rot-Grün nicht mehr direkt Mittel an den BdV fließen lassen wollte, und somit hat es über den Verein eine Ersatzfinanzierung gegeben. Bezeichnend ist auch, daß die Stadt Münster bis heute eine Städtepartnerschaft zu Braniewo unterhält. Die Vertriebenen nennen diese Stadt noch heute Braunsberg und stellen auch noch heute Gebietsansprüche drauf.

 

Deshalb kann man schon sagen, daß Münster eine absolute Hochburg der Vertriebenenverbände ist. Das zeigt sich auch daran, daß die Vertriebenenverbände kurz vor der Kommunalwahl den Antrag gestellt haben, daß mitten in Münster für sie ein Denkmal errichtet wird, welches der sog. verlorengegangenen ostdeutschen Heimatgebiete erinnern soll. Hier hat sich vor allem Roswitha Möller hervorgetan. Dieser Antrag ist von der CDU unterstützt worden. Und was dies nach der Kommunalwahl bedeuten wird, ist auch klar: Dies Denktmal wird kommen - und an zentraler Stelle in dieser Stadt - am Servatiiplatz!

 

Jan: Du hast gerade den Namen Roswitha Möller genannt. Roswitha Möller ist die Vorsitzende des BdV in Münster. Kannst Du zu ihrer Rolle noch etwas sagen?

 

Pit: Ja, Roswitha Möller ist nicht nur die Vorsitzende des BdV in Münster, sondern auch im Landesvorstand des BdV. Interessant ist Roswitha Möllers verhalten während der Wehrmachtsausstellung: Während der Ausstellung hat sie in der „Deutschen Umschau“, der Zeitung, für die sie auch regelmäßig schreibt, eine „Todesanzeige“ für ihren verschollenen Vater abdrucken lassen, in der sie alle „aufrechten Deutschen“ dazu auffordert, etwas dagegen zun tun, daß die Väter und Großväter verunglimpft werden. Damit hat sie sich eingereiht in Reihen der NPD, die damals die große Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung vergeblich machen wollte. Sonst hat sie auch solch’ Aufrufe wie “Freiheit für Königsberg“ und „Königsberg bleibt deutsch“ unterschieben. Gerade an diesen Aufrufen wird klar, daß Roswitha Möller sich nicht nur des häufigeren in neofaschistische Gesellschaft begibt, sondern sich auch ganz offen auf Rechtsextreme einläßt. Königsberg bzw. Kaliningrad ist russisch und sollte es auch bleiben. Denn jede/jeder, der/die etwas anderes will, der/die schreit nach nichts anderem als nach Krieg!

 

LokalpolitikerInnen, angesprochen auf diese Tatsachen, sagen, daß wir dies unter den Tisch fallen lassen sollen, daß sie eine nette ältere Dame ist, die persönlich Schlimmes erlebt hätte, und man deshalb solche Äußerungen verstehen müßte. Diese Äußerungen werden aber im politischen Raum geäußert: Beispielsweise dieser Aufruf „Freiheit für Königsberg“ ist nun wirklich in sämtlicher Vertriebenenpresse abgedruckt worden und ich denke, wer sich in solch’ Art und Weise äußert, der hat jedes Recht verloren, irgenwie ernst genommen zu werden.

 

Ich will mich aber auch nicht so auf eine Person einschießen: So ist Frank Otte vielen StudentInnen als Nachfolger von René Schneider bezüglich Klagen gegen den AStA bekannt. Er ist nicht nur Bundeskandidat der Republikaner gewesen, sondern macht auch bei der „Jungen Landsmanschaft Ostpreußen“ mit. Er ist zwar nicht aus Ostpreußen, aber er gehöhrt zur sogenannten Bekenntnisgenertion der Vertriebenen. Gerade seine Mitgliedschaft zu den Republikanern und der „Jungen Landsmanschaft Ostpreußen“ als sog. regionalen Vertriebenenverband zeigt gerade wie rechtsextrem die Vertriebenenverbände sind.

 

Jan: Ihr habt darauf aufmerksam gemacht, daß der BdV am 10. Dezember eine Veranstaltung zum Tag der Menschenrechte unter dem Motto „Menschenrechte sind unteilbar“ im Schloß machen will. Der BdV hat dies in seinen Publikationen bundesweit veröffentlicht. Soweit ich weiß, scheint das Rektorat noch keine Informationen dazu zu haben, obwohl es die Institution ist, die Veranstaltungen in Räumen der Hochschule genehmigt. Ich ahne schon schlimmes!?

 

Pit: In der Tat! Es ist zu beführchten, daß das Deckmäntelchen der Menschenrechte dazu herhalten muß, daß Gebietsforderungen gestellt werden - an Tschechien, an Polen und an anderen Länder hinter der Oder-Neiße-Linie. Der Skandal ist, daß auf solchen Veranstaltungen bspw. solche Leute wie ein CDU-Justizminister aus Hessen oder auch regelmäßig ein Bürgermeister namens Fritz Krüger von der SPD auftreten. Genau diese sind auf dem „Tag der Heimat“ des BdV jüngst in Münster, der im Rathaus stattgefunden hat, wieder aufgetreten.

 

Aber so treten alle auch ernst zu nehmenden Politiker - auch der Bundesregierung - auf: Sie behaupten, daß die Oder-Neiße-Line anerkannt ist, gleichzeitig stellen sie Gelder und Räume zur Verfügung um das Gegenteil zu behaupten. Ich will das ganz deutlich sagen: Dort treffen sich ewig Gestrige, die die Folgen des Krieges bis heute nicht verwunden haben, und sich so darstellen, als wenn sie - die Vertriebenen - die eigentlichen Opfer des Krieges sind.

Sie vergessen dabei aber, daß über sechs Millionen jüdische MitbürgerInnen einfach so ausgelöscht worden sind; sie vergessen dabei, daß über zwanzig Millionen Russen den Überfall auf die Soviet Union des nationalsozialistischen Deutschlands mit dem Tod bezahlt haben etc.

 

Dabei muß man Folgendes bedenken: Als die Nationalsozialisten bspw. im Sudetenland einmarschiert sind, haben sie jubelnd an der Straße gestanden, und sind zu großen Teilen den Nazis beiseite gesprungen, wenn es darum ging, die Tschechen zu verfolgen.

 

Jan: Das ist ja unglaublich, daß nach über fünfzig Jahren nach unserer Befreiung vom Faschismus immer noch Gebietsforderungen gen Osten gestellt werden.

 

Pit, wie ordnest Du das ein, daß in diesem Semesterspiegel der Roswitha Möller ein Forum geboten wird?

 

Pit: Wie gesagt, für mich sind die Leute des BdV ewig Gestrige. Ich find das schon mehr als beschämend für die Studierendenschaft, daß ausgerechnet der Ableger der ÖDP - die ökologisch-demokratischen Studierenden - einen Schulterschluß mit diesen Leuten wagen, obwohl sie sich ja immer vordergründig von rechten Tendenzen distanzieren. Dabei ist die ÖDP ja an sich auch eine rechte Partei - ganz eindeutig - von der Geschichte aber auch der Programmatik her.

 

Um das zu erklären, die ÖDP gehöhrt zu den Parteien, die bei ihrer Gründung die alten Landkarten verwendet hat, sprich Karten von Deutschland in den Grenzen von 1937/38 oder gar 39, und somit ein Deutschland in diesen Grenzen gefordert hat.

 

Jan: Ich danke für das Gespräch, und hoffe, daß der BdV keine Chancen hat, im Schloß seine Propaganda zu verbreiten.

 

Das Gespräch führte Jan Große Nobis.