Stadt "versetzt" Besetzer

Zentrum gefordert

 

Von Karfreitag bis zum darauf folgenden Donnerstag hatten etwa 50 bis 100 Leute ein ehemaliges Gebäude des Gesundheitsamtes in der Robert-Koch-Straße besetzt. Sie wollen ein selbstbestimmtes Kulturzentrum für viele Münsteraner Initiativen schaffen. Die Besetzung fand gut ein Jahr nach der Räumung der Anfang letzten Jahres besetzten Uppenbergschule statt. Schon am Donnerstag Morgen wurden sie durch die Polizei geräumt. Das Gespräch mit zweien aus der Pressegruppe der Besetzer führte Jan Große Nobis.

 

„draußen!“: In der Nacht vom 12. zum 13. April hattet Ihr das Gebäude besetzt. Mit wie vielen Leuten habt ihr mit der Besetzung begonnen?

 

Besetzer: In der Nacht von Donnerstag auf Freitag ist zunächst eine kleinere Gruppe über ein offenes Fenster in das Haus gegangen, um herauszufinden, wo man was machen könnte. Die eigentliche Besetzung ist dann Freitag Mittag bis Abend über die Bühne gegangen. Da haben sich ungefähr 50 bis 100 Leute im Haus versammelt, haben die Transparente aus dem Fenster gehangen, haben die Presse kontaktiert und die ersten Veranstaltungen durchgeführt.

 

„draußen!“: Was wolltet Ihr mit der Besetzung erreichen?

 

Besetzer: Uns geht es um die Errichtung eines sozialen Kulturzentrums, ähnlich, wie es damals mit der besetzten Uppenbergschule geplant war. Wir wollen ein selbstverwaltetes Zentrum schaffen, um der Linie der Stadt, Kultur zu kommerzialisieren, nur noch Großprojekte aus dem Boden zu stampfen und alte Strukturen platt zu machen, ein bisschen entgegen zu setzen. Exemplarisch für die einseitig ausgerichtete Stadtplanung ist der Abriss der Uppenbergschule im letzten Jahr, der einhergeht mit fortschreitender Vernichtung von bezahlbarem Wohn- und Lebensraum. Linkspolitische Gruppen, Infoläden, Therapiegruppen, Frauen/Lesben-Initiativen, alternative MusikerInnen, Volxküche sowie preiswerter Café-/Kneipenbetrieb - all das wird schon zu lange von profitorientierten Entscheidungsträgern in Rat und Verwaltung an den Rand gedrängt. Wir wollen gewachsene Strukturen und alternative Initiativen fördern bzw. erhalten.

 

„draußen!“: Die Stadt sagt, sie hätte alle Versprechungen eingehalten, die nach der Räumung der „Uppe“ von ihr gemacht worden seien. Stimmt das?

 

Besetzer: Nein, das stimmt nicht. Die Stadt hat die Zusage gemacht, sich nach Ersatzgebäuden umzuschauen. Da ist überhaupt nichts geschehen in dieser Richtung. Stattdessen gab es halt einen kleinen Raum, das ist der ehemalige Fahrradladen an der Grevenerstraße, das jetzige „Versetzt“. Das ist aber für ein echtes selbstverwaltetes Zentrum nicht geeignet. Dort sind gerade Treffen für kleine Gruppen oder kleine Veranstaltungen möglich. Das „Versetzt“ ist damals selbst von der Stadt ausdrücklich als Übergangslösung bezeichnet worden. Die jetzt genannte Alternative in der Eichendorffschule im Nordviertel besteht nur aus zwei Räumen und soll dort aber nur den Bürgern des Nordviertels zur Verfügung gestellt werden. Die Frechheit daran ist, dass wir diesen Vorschlag überhaupt erst jetzt über die Presse erfahren haben.

 

Insgesamt macht es - würden wir sagen - den Eindruck, dass die Stadt sich überhaupt nicht genötigt fühlt, irgend welche Zusagen einzuhalten, sondern ganz im Gegenteil, gezielt Falschinformationen und Unwahrheiten streut, um Stimmung zu schüren. So passt es genau da rein, dass die Stadt die Zusage gemacht hatte, dass auf dem Gelände der ehemaligen Uppenbergschule Sozialwohnungen gebaut werden sollen. Das wurde damals als Argument genutzt, dass wir die Schule räumen sollten. Inzwischen wird ein privater Investor gesucht, der da irgend etwas hinbaut, aber keinen sozialen Wohnungsbau.

 

Jetzt hat die Stadt bei dem ehemaligen Gesundheitsamt, das wir besetzt hatten, gesagt, es sei ein „Filetstück“ mit einem sehr guten baulichem Zustand – es gäbe Gespräche mit einem Investor. Nach der Räumung hieß es jetzt plötzlich vom Leiter des Liegenschaftsamtes, dass das Gebäude jetzt doch abgerissen werden soll. Das kann ja irgendwo nicht hinkommen, zumal die Stadt vorher noch das Argument hatte, dass sie das Haus die letzten eineinhalb Jahre geheizt hatte, um es zu erhalten.

 

„draußen!“: Die „Uppe“ war anderthalb Monate besetzt. Dann war alles vorbei. Diesmal ging es noch schneller. Nicht einmal eine Woche hat die Besetzung bis zur Räumung gedauert. Wie schätzt Ihr nach der erneuten Räumung die Chancen für ein selbstverwaltetes sozio-kulturelles Zentrum ein?

 

Besetzer: Also, wir können ja unsere Chancen nicht daran messen, wie lang wir in so einem Haus drin sind. Wir sind natürlich immer der Willkür der Stadt ausgesetzt. Die paar Tage, die sechs Tage um genau zu sein, in denen wir das Zentrum gelebt haben, die haben ja gerade gezeigt, dass Bedarf für ein Zentrum da ist. Viele hundert Menschen haben sich in dieser Zeit im Zentrum aufgehalten, sie haben es genutzt, sie haben es mitgestaltet – das zeigt doch den Bedarf. Der Wunsch nach so einem Projekt ist einfach da!

 

„draußen!“: Was erwartet jetzt die vor der Räumung im Haus verbliebenen vierzehn Menschen? Ihre vor der Räumung gemachte Zusage, es würden lediglich die Personalien festgestellt, hat die Polizei nicht eingehalten.

 

Besetzer: Ja, erfahrungsgemäß kann man sich natürlich auf die Zusagen der Polizei noch weniger verlassen, als Zusagen der Stadtverwaltung. Daher überrascht es nicht unbedingt, dass die Leute unverschämter Weise anschließend, nachdem sie das Haus verlassen hatten, entgegen der Zusage, dass nur ihre Personalien festgestellt würden, in das Polizeipräsidium „verschleppt“ wurden. Sie wurden da erkennungsdienstlich behandelt, ihnen wurden Fingerabdrücke abgenommen und „Verbrecherfotos“ von ihnen gemacht – das nennt mal wohl soziales Engagement.

 

Zu rechnen ist nun wohl mit Strafverfahren wegen Hausfriedensbruch, die auf die fünfzehn Menschen zukommen werden. Wie groß die Strafe sein wird, ist nicht abzusehen. Es wird aber schon ein großer finanzieller Batzen sein, weswegen wir wohl auf Spenden angewiesen sein werden.

 

Eigentlich hängt es halt ein bisschen vom politischen Willen der Stadt und Staatsanwaltschaft ab, ob sie den Strafantrag gegen die Besetzer vielleicht doch noch zurück ziehen. Es lässt sich halt zu diesem Zeitpunkt noch nicht prognostizieren.

 

„draußen!“: Ich bedanke mich für das Gespräch.