Während
NPD-Aufmarsch Gegendemonstrant überfahren:
Sechs
Monate auf Bewährung
Am
geschichtsträchtigen Donnerstag, dem 9. November war beim
Amtsgericht in Tecklenburg der Prozeß gegen Marc W., der vor zwei
Jahren bei einem Aufmarsch der NPD in Rostock den Antifaschisten
Holger S. angefahren hatte. Damals war er mit seinen damaligen
drei Freunden mit einem Auto in Rostock, um den NPD-Aufmarsch
anzuschauen. Jan Große
Nobis berichtet über die Hintergründe und den Prozeß.
Marc
W. und seine Freunde, die wohl aus dem Umfeld der NPD kommen und
nach Vermutungen des hiesigen „Bündnisses gegen Rechts“ in
sog. „Freien Kameradschaften“ organisiert sein sollen, fuhren
am 19. September 1998 aus ihrem Heimatort Lengerich los, um den
NPD-Aufmarsch in Rostock zu besuchen. In Bielefeld schlossen sie
sich einem Bus der NPD an und fuhren bis kurz vor Rostock dem Bus
hinterher, bis sie ihn verloren. Danach seien sie – nach
Auskunft des Angeklagten – mit ihrem Auto durch Rostock geirrt,
um den Aufmarsch der NPD zu finden. Sie seien schon an einer
„Straßenschlacht“ vorbei gefahren, ehe sie an einer roten
Ampel halten mußten. Hier sei ein Mensch mit einem Fahrradschloß
auf sie zu gegangen, weil die Freunde von Marc W. Glatzen und
„Bomberjacken“ getragen hätten. Deshalb hätten sie Angst
bekommen und es hätte nur noch geheißen „Weg hier!“ So hätte
Marc W. den Rückwärtsgang eingelegt, eine sog.
„Chicago-Wende“ gemacht, und wollte nur „weg!“ Hier fing
das Drama dann an: Nach seiner Aussage hätte er Holger S. erst
eine „hundertstel Sekunde“ vor dem „Unfall“ gesehen –
„Es ist halt ein beschissener Tag gewesen.“
Ob
Holger S. es genauso locker nimmt ist fraglich. Nach diesem
„Unfall“, bei dem er über das Auto geschleudert wurde, lag er
mehrere Wochen im Koma. Die Ärzte prognostizierten, daß er nicht
mehr laufen und sprechen werden könne. Nur seines eisernen
Willens und des „unermüdlichen“ Einsatzes seiner Freunde sei
es zu verdanken, daß er jetzt wieder fast richtig laufen und
sprechen könne. Er leide aber immer noch unter Konzentrationsschwäche.
Jetzt,
nach zwei Jahren, ist es zum Prozeß gekommen. Die Nebenklägerin
– also die Vertreterin von Holger S. – bezeichnete dieses
verhalten als grob fahrlässig. Schließlich sei er schon mit überhöhter
Geschwindigkeit auf die rot Ampel zugefahren und hätte nur knapp
hinter den schon an der Ampel stehenden Autos mit quietschenden
Reifen halten können. Ebenso hätte er alle Möglichkeiten
gehabt, auszuweichen. Die vierspurige Straße hätte genug Raum
gegeben. Ebenso kritisierte sie, daß Marc W. wohl die Tat noch
nicht verarbeitet habe. Marc W. könne nicht – wie der
Jugendgerichtshelfer ausführte – wirkliche Reue zeigen, wenn er
ausführt, es sei „halt ein beschissener Tag gewesen“ und es
bei einem vergeblichen Versuch der Kontaktaufnahme belassen habe.
Ebenso
kritisierte sie den Staatsanwalt, der sich wie ein Verteidiger
aufgeführt habe. Wörtlich griff sie ihn an „Herr Staatsanwalt,
sie hätten sich für diese Verteidigung bewerben sollen“. Im
Verfahren wollte der Staatsanwalt zwischenzeitlich die Schuld des
Opfers Holger S. diskutieren.
Im
Vorfeld konnte das Einstellen des Verfahrens gegen Marc W. nach
Informationen des „Bündnisses gegen Rechts“ nur durch eine
bundesweit organisierte Demo, die im vorigen November stattfand,
verhindert werden. Nachdem die Zuständigkeiten zwischen
verschiedenen Gerichten hin und her geschoben worden sei, sollte
„nur“ ein Strafbefehl über 2.000,- DM ausgestellt werden.
Der
Staatsanwalt forderte in seinem Plädoyer 2.000,- DM Strafe und
„einige“ Sozialstunden. Dem konnte sich der Verteidiger von
Marc W. anschließen. Die Nebenklägerin dagegen forderte ein Jahr
auf Bewährung, Entzug der Fahrerlaubnis und Arbeitsauflagen. Der
Richter verurteilte den Täter wegen fahrlässiger Körperverletzung
zu 6 Monaten – ausgesetzt auf 2 Jahre auf Bewährung – Haft,
200 Stunden gemeinnützige Arbeit und Tragen der Kosten des
Verfahrens.
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