Bürgermarsch
ohne Bürger?
Die
Abendmärsche in Münster
Zum
dritten Mal fanden nun die soldatischen Abendmärsche statt.
Hatten sie in den beiden letzten Jahren noch einen gewissen
Anklang in der Bevölkerung gefunden, suchte man den normalen Bürger
und die normale Bürgerin diesmal vergebens. Gerade mal der Anhang
der Soldaten und Soldatinnen hat den Weg dorthin gefunden gehabt.
Und eine Gruppe der Berufsfeuerwehr Münster. Insgesamt schätzungsweise
40 Zivilisten. Die Soldaten sollen im übrigen zwangsverpflichtet
worden sein! Ein Kommentar von Jan Große Nobis.
Nun,
der Kalte Krieg ist schon etwas länger vorbei (außer vielleicht
in der koalitionskriselnden Berliner Politik) – die Militärs
suchen aber neue Wege, um ihre Legitimität zu beweisen.
Erfolglose Krisenbewältigung ist das Konzept: In Somalia haben
die Blauhelme Anfang der 90er Jahre ein Trümmerfeld hinterlassen
– potentiell schlimmer als es vorher war. Jüngst hat die NATO
ihren Willen, ökonomische Interessen des Westens durchzusetzen,
im völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien („Wir
verhindern eine humanitäre Katastrophe“) bewiesen. Erst mit
diesem Krieg begannen die Flüchtlingsströme, vorher hatte die
OSZE – im Gegensatz zur NATO ein über demokratische Mechanismen
legitimierter Staatenzusammenschluss – das Kosovo befriedet. Die
NATO sucht halt neue Legitimation nach dem Kalten Krieg!
Nun
während des Krieges hat sich ein breiter Widerstand gegen diesen
Krieg manifestiert. Jeden Samstag standen Hunderte Demonstranten
vor dem Friedenssaal. Das darf wohl nicht wieder geschehen: So
sollte nun die Heimatfront befriedet werden. Das deutsch-niederländische
Korps hob die Abendmärsche aus der Taufe! Zunächst war auch
alles Friede, Freude und Eierkuchen, aber der Wirt hatte die
Rechnung ohne den Koch gemacht. War die Resonanz unter den Bürgern
anfangs noch relativ groß – auch der ehemalige Friedensbewegte
und jetzige Kriegesbefürworter Winni Nachtwei und der doppelt grüne
Polizeipräsident Hubert Wimber beglückten das Ereignis mit
Anwesenheit – schwand die Akzeptanz unter den Bürgern, sodass
dieses Jahr der Bürger gänzlich fern blieb. Dafür wurde der
Protest gegen die „Militarisierung der Gesellschaft“ immer
lauter. Trafen sich noch einige wenige im ersten Jahr, um am
Hindenburgplatz zu demonstrieren, wuchs die Gemeinde der
Demonstranten von Jahr zu Jahr an. Marschierten die Märsche im
letzten Jahr unter Sirenengeheul und Bombenhagel an der Kundgebung
am Friedenssaal vorbei, konnten sie diesmal an der Promenade durch
ein Spalier von Demonstranten wandern.
Nun,
die Akzeptanz unter der Bevölkerung schwindet, und die Polizei
wird immer massiver. Jagten sie letztes Jahr „nur“ einige
Demonstranten durch die Fußgängerzonen, versuchten sie diese
Jahr aggressiv mit Platzverweisen und Prügeln der Demonstranten
Herr zu werden. Einen Demonstranten drängelten und kniffen sie
(hier hat sich wohl einer der beiden Kontaktpolizisten vom Bahnhof
hervor getan; wir berichteten über die beiden in der
April-Ausgabe) und einem, der nach unnötigen Platzverweisen die
Promenade verlassen wollte – sich also an die Anweisungen der
Polizei halten wollte –, jagten sie einige hundert Meter und
zerrten ihn zu Boden – völlig unverhältnismäßig. Aber sie
setzten noch einen Bock darauf: Im Folgenden nahmen sie ihn mit
zur Wache und ließen ihn erst nach Abschluss der Abendmärsche
wieder frei. Da soll wohl Akzeptanz fürs Militär mit dem „Knüppel“
herbei geknüppelt werden?
P.S.:
Die Stadt hat für diese militaristische Feier 18.000 DM springen
lassen – wohl 'nen Tausender für jeden teilnehmenden
Zivilisten. Hiermit beantrage ich die Auszahlung von Tausend DM für
mich – im Gegenzug bin ich auch bereit 10,- DM, wie die
Teilnehmer gezahlt haben, an die Stadt zurückzuzahlen. |